Breitmaulnashorn: Gejagt, um zu schützen?
Im vergangenen Jahr ist der letzte Nördliche Breitmaulnashornbulle gestorben. Sein engster Verwandter, das Südliche Breitmaulnashorn. soll trotzdem für die Jagd freigegeben werden.
(u.a. Hamburger Abendblatt, Mai 2019)
Der 19. März 2018 war ein trauriger Tag für Artenschützer: Sudan, der letzte Nördliche Breitmaulnashornbulle der Welt, war gestorben. Vor allem die Jagd auf das Horn war der Spezies zum Verhängnis geworden. Der Tod des Tieres sorgte für Schlagzeilen.
Auch Sudans engstem Verwandten, dem Südlichen Breitmaulnashorn, könnte eine unsichere Zukunft drohen. Es soll in Namibia zum Abschuss und Verkauf freigegeben werden. Das jedenfalls beantragt die dortige Regierung und findet dafür Unterstützung. Die EU-Kommission könnte dem zustimmen, wie aus einem Dokument hervorgeht, das im Vorfeld der diesjährigen internationalen Artenschutzkonferenz CITES auf Sri Lanka veröffentlicht worden ist. Die Konferenz, ursprünglich für Ende Mai geplant, wurde aufgrund der Terroranschläge vom Ostersonntag in den Herbst verschoben.
Verkauf an „geeignete Abnehmer“ oder als Jagdtrophäe
Namibia will eine bestimmte Anzahl Südlicher Breitmaulnashörner international verkaufen dürfen: Tiere, die lebend an „geeignete Abnehmer“ wie Zoos oder Safariparks geliefert werden sollen. Und Tiere, die als Trophäen von Jagdreisenden mit nach Hause genommen werden können.
Der Nashornbestand im Land habe sich derart gut entwickelt, dass ein striktes Handelsverbot nicht mehr notwendig sei, argumentiert die Regierung. Es würden ähnliche Bedingungen gelten wie im Nachbarland Südafrika, wo die Spezies seit 1995 international verkauft werden darf.
Tatsächlich haben sich die Bestände des Südlichen Breitmaulnashorns in den vergangenen Jahren deutlich erholt. Um 1900 galt die Unterart, wie ihr nördlicher Verwandter heute, als beinahe ausgerottet. Durch intensive Jagd war die Zahl auf zehn Exemplare geschrumpft. Nach aktuellen Schätzungen leben heute weltweit wieder um die 20.000 Tiere, etwa 1000 davon in Namibia.
In Naturschutzkreisen gilt das Südliche Breitmaulnashorn als eine der eindrucksvollsten Erfolgsgeschichten des Artenschutzes. Und das scheint auch die EU-Kommission so zu sehen. Die Nashornpopulation in Namibia sei in einem guten Zustand, die erfolgreichen Bemühungen um den Artenschutz müssten anerkannt werden, heißt es in dem Positionspapier.
„Tiere können nur überleben, wenn man damit Geld verdient“
Auch Arne Ludwig vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin beurteilt den Antrag positiv. Als Mitglied der internationalen Naturschutzorganisation IUCN berät er die Artenschutzkonferenz aus wissenschaftlicher Sicht. Seine Einschätzung: „Die Tiere können nur überleben, wenn man damit Geld verdient.“
Die namibische Initiative, so Ludwig, ginge vor allem von privaten Landbesitzern aus. Die müssten Patrouillen dafür bezahlen, dass die Tiere auf ihren Ländereien nicht abgeschossen werden. Im Gegenzug würden sie bislang kaum etwas an ihnen verdienen. Die Akzeptanz der Regularien sinke.
„Gegen niedrige Jagdquoten ist daher nichts einzuwenden“, sagt der Professor für Tiergenetik. Zum Abschuss freigegeben würden vor allem alte Tiere oder solche, die sich nicht vermehren könnten. Namibia habe sich in der Vergangenheit als vertrauenswürdiges Land im Naturschutz gezeigt. Ludwig glaubt, dass die EU dem Antrag stattgeben wird.
Eine Aussicht, die Naturschützer alarmiert. Darunter Daniela Freyer von der Naturschutzorganisation Pro Wildlife: „Das ist reine Salamitaktik. Erst will man den kontrollierten Handel für einzelne Tiere freigeben, bald wird es der Verkauf des Horns selbst sein“, sagt sie. Südafrika erwäge auf Druck der Großgrundbesitzer schon seit Jahren, den internationalen Handel mit dem Horn zu beantragen. Auch Eswatini, das frühere Swasiland, habe aktuell beantragt, den Hornhandel zu öffnen, so die Naturschützerin. „Ist dann der Verkauf der Hörner legal, wird die Nachfrage aus Ostasien und damit die Jagd auf die Tiere anziehen.“
Die Behauptung, man brauche die Einnahmen aus dem internationalen Handel, um die Tiere schützen zu können, sei vorgeschoben, so die Biologin. Auch ohne den Schutz zu lockern, ließe sich mit den Tieren Geld verdienen, etwa durch Safaritouristen.
Elfenbein-Handel: Lockerung ließ Wilderei explodieren
Wohin eine Lockerung der Handelsbestimmungen führen kann, hatte sich beim Elfenbein gezeigt. 2007 wurde auf Initiative Deutschlands und der EU der regulierte Verkauf von einmalig 102 Tonnen Elfenbein aus alten Beständen aus vier afrikanischen Ländern, darunter Namibia und Südafrika, nach China und Japan genehmigt. Wenn die Stoßzähne von natürlich gestorbenen Elefanten oder getöteten Problemtieren auf den Markt gebracht werden, so die Idee, werde die Nachfrage gestillt und die Wilderei reduziert.
Eine internationale Elefanten-Inventur im Jahr 2016 aber zeigte das Gegenteil. Zwischen 2007 und 2014 sank die Zahl der Dickhäuter in den Savannen Afrikas um 30 Prozent – und damit deutlich stärker als in den Jahren zuvor. Hauptgrund dafür, so ein Bericht: Wilderei.
„Stoßzähnen und Hörnern sieht man nur schwer an, ob sie legal von einem Trophäenjäger oder illegal von einem Wilderer kommen“, erklärt Daniela Freyer. Beides könne leicht vermischt werden, um gewilderte Hörner zu verschleiern. Die laschen Kontrollen in den Herkunfts- und Abnehmerländern könnten nicht verhindern, dass der legale Handel unterwandert werde.
Für Aufsehen etwa hatte ein Fall gesorgt, bei dem sich 15 Wilderer in Südafrika selbst als Trophäenjäger ausgegeben hatten. Zurück in ihrer Heimat Tschechien wollten sie das Nashornhorn jedoch nicht wie vorgeschrieben als Andenken behalten, sondern nach Ostasien schmuggeln. Laut Zoll hätte es auf dem Schwarzmarkt einen Wert von rund vier Millionen Euro erzielt. Das Horn kostet dort fast doppelt so viel wie Gold.
„Ein reglementierter Handel kann prinzipiell ein Mittel sein, um bedrohte Arten vor dem Aussterben zu bewahren“, sagt Immo Fischer vom Naturschutzverband WWF. Dazu brauche es funktionierende Kontrollen bei allen Beteiligten, daran scheitere es meist. „Ob bei Produkten so seltener Arten wie dem Nashorn eine Befriedigung der Nachfrage möglich ist, ohne die Tiere an den Rand des Aussterbens zu bringen, ist fraglich.“ Das mit der Marktöffnung verbundene Risiko sei zu groß.
Das sieht auch die Bundesregierung so: Die Öffnung „ist ein immenser Anreiz für kriminelle Syndikate, denen seit 2013 allein in Südafrika jährlich über 1000 der seltenen Tiere zum Opfer fielen“, heißt es aus dem Bundesumweltministerium. In Namibia seien zwischen 2011 und 2018 rund 291 Breit- und Spitzmaulnashörner der Wilderei zum Opfer gefallen.
Angesichts der nach wie vor „äußerst dramatischen Wilderei beim Nashorn“ will Deutschland dem Antrag Namibias nicht zustimmen – und sich dafür einsetzen, dass die EU ihn ablehnt. Die Mitgliedstaaten beraten und diskutieren derzeit eine gemeinsame Position. Entschieden wird wohl im Juni darüber.